Monatsarchiv: März 2008

Multikulturalismus

Wer in einer der großen britischen Supermarktketten (Tesco, Sainsbury, Co-op – entspricht Aldi, Lidl, Edeka) einkaufen geht, der findet neben mehr oder weniger typischen englischen Produkten auch in großen Mengen indische oder pakistanische Lebensmittel – Zielpublikum: Inder und Pakistanis, nicht etwa nur abwechslungshungrige Briten. (Wobei letztere auch längst Curry-Pasten, Naan-Brot und Houmous für sich entdeckt haben. Wie auch nicht, wenn es gleich neben dem englischen Labberbrot und Cheddar-Käse im Regal steht.) Welche deutsche Supermarktkette bietet eigentlich türkische Lebensmittel an? Abgesehen von der einen oder anderen Olivendose (Zielpublikum: deutsch) ist mir noch nichts untergekommen; türkische Lebensmittel gibt es in Türkenläden, als durchschnittlicher Deutscher kennt man eigentlich nur Döner. Das scheint mir symptomatisch für den Willen zur vielbeschworenen Integration – und zwar auf Seiten des „Gastlandes“, nicht der Immigranten selbst.

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Elite

Während “Elite” hierzulande zum positiven Schlagwort und immer mehr zum Slogan geworden ist, schämt man sich ihrer in der traditionell klassen- und elitegeprägten britischen Gesellschaft zunehmend. So stehen Oxford und Cambridge etwa seit Jahren unter staatlichem Druck, “more inclusive” zu werden (so nannte es kürzlich der Guardian) – aber ist Inklusivität nicht das genaue Gegenteil von Elite?!

Der Punkt der Forderung nach mehr Inklusivität ist natürlich nicht nur, dass man mehr Studenten aufnehmen solle (das allerdings auch), sondern vor allem, dass die Elite, die sich im Übrigen nie selbst als solche bezeichnet, sozial inklusiver, durchlässiger also, werden solle. Noch immer rekrutiert sich fast die Hälfte der erfolgreichen Bewerber auf einen Studienplatz in Oxford von teuren Privatschulen, die ihrerseits von weniger als 10% der Schüler besucht werden. “More inclusive” bedeutet natürlich: fairer. Aber wie macht man das?

Die Bewerbung auf einen Studienplatz in Oxford (oder Cambridge) ist ein komplizierter Vorgang. Da sind nicht nur Formulare auszufüllen, sondern auch Essays einzureichen; wenn die eingesandten Unterlagen überzeugen, wird man zu Auswahlgesprächen (an mehreren Colleges) eingeladen; und wer auch darin überzeugt, erhält ein “conditional offer”, also einen Studienplatz unter der Bedingung, dass die Schule mit einer bestimmten Note abgeschlossen wird. (Wer sich aus Deutschland bewirbt und einen guten Eindruck gemacht hat, wird z.B. ein Studienplatzangebot unter der Bedingung erhalten, dass die Abiturnote nicht schlechter als 1,3 wird.) Das klingt sehr ausgewogen. Das Problem an der Sache ist, dass Schüler an Privatschulen (je teurer, desto besser) auf dieses Auswahlverfahren hin trainiert werden – und zwar ganz wörtlich: das Auswahlgespräch wird geübt, selbst über Dozenten, die solche Gespräche durchführen, werden nach Erfahrungsberichten früherer Schüler Register angelegt, die dann wiederum in der Vorbereitung verwendet werden … Und bei einer solchen Vorbereitungs-Industrie soll man als auswählender Dozent noch faire Standards anlegen können!

Soweit ich das sagen kann, versuchen zumindest sehr viele der beteiligten Dozenten das Ungleichgewicht im Bewerbungsprozess auszugleichen – etwa, indem man dem Auswahlgespräch noch eine Klausur vorschaltet, in der das flüssige Gesprächsverhalten des Privatschülers nicht so leicht blenden kann, oder indem man im Bewerbungsgespräch Rätsel und Fragen vorlegt, bei denen es nicht auf erlernte Antworten, sondern auf den Denkprozess ankommt. In jedem Fall scheinen Vorwürfe an die Adresse der Universität zu spät anzusetzen; Oxford und Cambridge können nur versuchen, die schon längst vorhandene Ungleichheit wieder einigermaßen auszugleichen, abschaffen müssen sie andere.

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Angewandte Ontologie

Etwas außer der Reihe, weil ich es als Philosophin und insbesondere als Ontologin sehr lustig fand: Die Zeit vom 28.2. schreibt im Feuilleton unter dem Titel „Etwas wird nichts“ über das „philosophische Ende des Berliner Flughafens Tempelhof“:  

Dass man nur über etwas, nicht aber über nichts reden könne, darin waren sich die Philosophen stets einig. Schwieriger steht es um die Frage, was dieses Nichts denn sei: ein Etwas, das es nicht gibt, oder ein Nichts, das es nicht geben kann, oder ein Etwas, das es zwar aktuell nicht gibt, unter anderen Umständen aber geben könnte. Einen bedeutenden Beitrag zu dieser Diskussion hat kürzlich der Berliner Senat geliefert. Der Regierende Oberontologe Klaus Wowereit und seine Senatorin für Stadtentwicklung und Sprachphilosophie, Ingeborg Junge-Reiher, (beide SPD) haben beschlossen, den Flughafen Tempelhof zu „entwidmen“, das heißt, seiner Flughafenhaftigkeit zu entkleiden – philosophisch gesprochen: aus einem Etwas in ein Nichts zu verwandeln, über das füglich nicht mehr gesprochen und also auch nicht mehr entscheiden werden muss.

Das ist zwar nicht besonders gute Ontologie, aber wer wollte schon so pingelig sein, wenn der eigene Fachbereich es einmal ins Feuilleton geschafft hat? Und dann ist es ja auch ein Schritt in eine interessante Richtung – Philosophen in den Verwaltungsapparat? In Berlin ist alles möglich.

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